Sammlungen & Ausstellung
Die geologisch-paläontologischen Sammlungen
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Norbert Hauschke

1. Einführung
2. Abriß der Sammlungsgeschichte
3. Gedanken zur aktuellen Situation der Sammlungen
4. Perspektiven. Schließt sich der Kreis vom Naturalienkabinett zum "Universeum"?


1. Einführung

Die geologisch-paläontologischen Sammlungen der Martin-Luther-Universität zählen zu den umfangreichsten und bedeutendsten ihrer Art in den neuen Bundesländern. Sie sind Bestandteil des Instituts für Geologische Wissenschaften und Geiseltalmuseum am Fachbereich Geowissenschaften, das seinen Hauptsitz derzeit noch im Zentrum von Halle hat, nämlich in der "Neuen Residenz" des Kardinals Albrecht von Brandenburg (1490-1545). Nach dem bevorstehenden Umzug des Instituts in ein Universitätsgebäude, das den modernen baulichen Anforderungen von Lehre und Forschung besser gerecht wird, soll die " Neue Residenz", die eines der kulturgeschichtlich bedeutsamsten Bauwerke der Stadt Halle darstellt, einer neuen Nutzung zugeführt werden. Seitens der Universität sind Bestrebungen im Gange, ein naturwissenschaftliches Universitätsmuseum unter dem Dach dieses geschichtsträchtigen Renaissancebaues zu begründen, das die Voraussetzungen dafür schaffen soll, sämtliche Bereiche der reichen naturwissenschaftlichen Sammlungen der Martin-Luther-Universität einer interessierten Öffentlichkeit angemessen zu präsentieren.
In den nachfolgenden Ausführungen liegt der Schwerpunkt auf einem Abriß der Sammlungsgeschichte, sodann wird auf einige Aspekte der aktuellen Situation und auf Perspektiven kurz eingegangen.


2. Abriß der Sammlungsgeschichte

Die geowissenschaftlichen und andere naturwissenschaftliche Sammlungen an der Martin-Luther-Universität haben ihre Ursprünge in den Naturalienkabinetten des 17. und 18. Jahrhunderts (KRUMBIEGEL & SCHWAB 1974). Einen authentischen Einblick in eine solche barockzeitliche "Wunderkammer" vermittelt die Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen in Halle (MÜLLER-BAHLKE 1998).
Für die geowissenschaftlichen Sammlungen an der halleschen Universität kann das Naturalienkabinett des Medizinprofessors F. Hoffmann (1660-1742) als Grundstock gelten. Dieser Sammlungsbestand wurde im Jahre 1777 von dem Naturgeschichte lehrenden Mediziner J.F.G. Goldhagen (1742-1788) erworben, der damit sein eigenes Naturalienkabinett beträchtlich erweitern konnte. Goldhagen verkaufte sein Naturalienkabinett 1787 an die Universität; es fand 1791/92 als königliches Mineralienkabinett in der "Neuen Residenz" Aufstellung.

Dem Mineralienkabinett der Universität standen als Direktoren so bedeutende Persönlichkeiten vor wie J.R. Forster (1729-1798), der zusammen mit seinem Sohn Georg an der 2. Weltumseglung von J. Cook (1728-1779) teilgenommen hatte, und E.F. Germar (1786-1853; Abb. 1), der als Professor für Mineralogie das Mineralienkabinett 40 Jahre lang betreute. Germars Bedeutung liegt nicht zuletzt darin, daß er im Permokarbon der nördlich Halle gelegenen Region um Wettin und Löbejün systematische Aufsammlungen von fossilen Floren und Faunen, darunter Insekten und Spinnen, vornahm und wissenschaftliche Bearbeitungen insbesondere an dem paläobotanischen Material durchführte (GERMAR 1844-1853), die bis heute von grundlegender Bedeutung geblieben sind. Folgt man den Ausführungen K. VON FRITSCHS (1838-1906; Abb. 2), die sich in dessen "Führer durch das Mineralogische Institut der Kön. ver. Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg" von 1901 finden, so darf Germar als der eigentliche Begründer der später vielgerühmten geowissenschaftlichen Sammlungen der Universität gelten.

Mit der Berufung K. von Fritschs zum Professor für Mineralogie und Geologie im Jahre 1873, in der Nachfolge von H. Girard (1814-1878), des Nachfolgers von E.F. Germar im Amt, wurde das Mineralienkabinett in den Rang eines Mineralogischen Instituts erhoben. Unter von Fritsch erlebten die geowissenschaftlichen Sammlungen mit Blick auf deren Erweiterung und Präsentation eine erste Blütezeit. So konnten in seiner Amtszeit im Saaleflügel der "Neuen Residenz" große Teile des ersten Stocks zu Sammlungssälen umgestaltet werden, die neben einer umfangreichen "Heimatsammlung" mit Fossilien aus der damaligen Provinz Sachsen und benachbarten Gebieten die Sammlung von Pflanzen- und Tierfossilien in systematischer Anordnung sowie die Mineralien-Sammlung aufnahmen. Durch gezielte Erwerbungen und Schenkungen wuchsen die Sammlungsbestände beträchtlich an; auch seine wertvolle Privatsammlung und Bibliothek überließ von Fritsch dem Institut als Geschenk (REICHSTEIN 1998).

Mit dem Amtsantritt von Johannes Walther (1860-1937; Abb. 3) im Jahre 1906 wurde eine strukturelle Umgestaltung des bisherigen Mineralogischen Instituts eingeleitet, das 1907 umbenannt wurde in "Geologisches und Mineralogisches Institut"; mit der Berufung des Mineralogen F. von Wolff (1874-1952) im Jahre 1914 erfolgte schließlich eine Trennung in zwei eigenständige Institute. Damit einher ging eine weitere deutliche Ausdehnung der Ausstellungsbereiche bei gleichzeitiger räumlicher Trennung in eine geologisch-paläontologische Abteilung im Obergeschoß des Saaleflügels und eine mineralogisch-petrographische Abteilung in dessen Untergeschoß. Der Umzug des Mineralogisch-Petrographischen Instituts in das nahe gelegene Gebäude des ehemaligen Oberbergamtes am Domplatz 1 in den Jahren 1936/37 veranschaulicht die zunehmende Spezialisierung innerhalb der einzelnen Fachdisziplinen.

Abb.1. Ernst Friedrich Germar (1786-1853), von 1811-1851 Professor für Mineralogie und Direktor des Mineralien-kabinetts. Archivfoto.

Abb. 3. Johannes Walther (1860-1937), von 1906-1929 Professor für Geologie und Paläontologie. Archivfoto.

Abb. 3. Johannes Walther (1860-1937), von 1906-1929 Professor für Geologie und Paläontologie. Archivfoto.

Unter J. Walther als Direktor erlangte das Geologische Institut der halleschen Universität Weltgeltung (SEIBOLD 1992). Walthers richtungweisende Untersuchungen zur Riff- und Wüstenforschung, die er auf zahlreichen Reisen weltweit betrieb, genießen bis heute international hohe Anerkennung (GINSBURG et al. 1994, GISCHLER & GLENNIE 1997). Seine moderne, aktualistisch geprägte Denkweise findet sich umgesetzt auch in einer neuen Ausstellungskonzeption, die sich anhand seines "Führers durch die Lehr- und Schausammlungen des Geologisch-Palaeontologischen Instituts der Universität Halle" von 1928 gut nachvollziehen läßt.
Von weitreichender Bedeutung für die Profilierung des Geologischen Instituts waren die im Jahre 1925 unter J. Walther begonnenen Fossilgrabungen im südwestlich von Halle gelegenen Geiseltal, die unter seinem Nachfolger J. Weigelt (1890-1948) überaus erfolgreich weitergeführt wurden und 1934 mit der Eröffnung des Geiseltalmuseums in der innerhalb der "Neuen Residenz" befindlichen ehemaligen Privatkapelle Kardinal Albrechts einen deutlich sichtbaren Höhepunkt erreichten. Die bis 1938 fortgeführten und nach Beendigung des 2. Weltkrieges im Jahre 1949 wiederaufgenommenen Grabungen förderten insbesondere eine artenreiche und außerordentlich gut erhaltene Wirbeltier- und Insektenfauna aus dem Mittleren Eozän zutage, was der Fossillagerstätte "Geiseltal" zu weltweiter Bedeutung verhalf (HAUBOLD & KRUMBIEGEL 1984, HAUBOLD & HELLMUND 1994, HELLMUND, im vorliegenden Band).
Der Schwung, den die Geiseltalgrabungen und die Eröffnung des Geiseltalmuseums mit sich brachten, führte bereits 1935 zur Gründung des "Vereins zur Förderung des Museums für Mitteldeutsche Erdgeschichte in Halle a.S.", eines Fördervereins, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, die erdgeschichtliche Entwicklung des mitteldeutschen Raumes im Zusammenhang anschaulich darzustellen. In die Konzeption eines "Ganges durch die mitteldeutsche Erdgeschichte", die schließlich unter Weigelts Nachfolger H. Gallwitz (1896-1958) im Jahre 1950 im Ostflügel der "Neuen Residenz" in acht Ausstellungsräumen realisiert wurde (Haubold & Hellmund 1995), fügte sich das Geiseltalmuseum mit seiner tertiärzeitlichen Tier- und Pflanzenwelt zwanglos ein. Daß das öffentliche Interesse groß war, belegen die hohen Besucherzahlen, die im Jahre 1952 ein Maximum erreichten (KRUMBIEGEL 1959).
Zu einem radikalen Bruch führten im Jahre 1967 die Beschlüsse des VII. Parteitages der SED zur III. Hochschulreform, mit denen die skizzierte 180 Jahre währende kontinuierliche und hoffnungsvolle Entwicklung ihr vorläufiges Ende fand. Noch Ende dieses Jahres wurden das Mineralogisch-Petrographische sowie das Geologisch-Paläontologische Institut aufgelöst, was für die Studierenden bedeutete, daß sie ihr Studium in Greifswald oder Freiberg fortführen mußten. Die verbliebenen Mitarbeiter der Institute wurden den neugegründeten Sektionen Biowissenschaften, Chemie oder Geographie zugeordnet; eine vergleichbare Zersplitterung traf auch die Sammlungen. Unter der Ägide von M. Schwab kam es ein Jahrzehnt später zu einer Reorganisation der geologischen Wissenschaften, einschließlich der Sammlungen. Mit der Neugründung des Wissenschaftsbereichs Geowissenschaften an der Sektion Geographie, eingeleitet 1977 durch Etablierung der Paläontologie mit dem Geiseltalmuseum und fortgesetzt 1982 mit der Rückkehr der Mineralogie, wurden die Weichen gestellt für die Entwicklungen der "Nachwendezeit" (EIGENFELD 1998).


3. Gedanken zur aktuellen Situation der Sammlungen

Mit der Neugründung des Fachbereichs Geowissenschaften 1991 wurde der Versuch unternommen, an die große geowissenschaftliche Tradition in Halle anzuknüpfen, was sich deutlich ausdrückt in der Einrichtung von je sieben Professuren an den Instituten für Geographie sowie für Geologische Wissenschaften und Geiseltalmuseum.
Die Sammlungen wurden in der Folgezeit gesichtet und in ihrem Bestand erfaßt. Angesichts des wachsenden Raumbedarfes, der sich im Zuge der Einrichtung von Labors, von Büros für die wachsende Zahl von technischen sowie wissenschaftlichen Mitarbeitern und nicht zuletzt durch Bereitstellung von Diplomanden- und Doktoranden-Arbeitsplätzen, wie auch eines Computer-Pools einstellte, mußten Teile der Sammlungen in Außenmagazine verbracht werden. Die Sammlungsbereiche, die vorrangig im Rahmen von Lehrveranstaltungen und zu Forschungszwecken genutzt wurden, verblieben aber ausnahmslos in der "Neuen Residenz".
Bedingt durch die fortschreitende Spezialisierung innerhalb der Geowissenschaften kommen verschiedene, insbesondere stärker angewandte Fachrichtungen zunehmend ohne Rückgriff auf die Sammlungen aus, was Diskussionen in Gang brachte, ob umfangreiche Institutssammlungen heute überhaupt noch Existenzberechtigung besitzen. Auch wenn Sammlungsstücke in eingeschränkterem Maße als früher in Vorlesungen und Übungen als Anschauungsobjekte Verwendung finden, so bleibt doch festzuhalten, daß sie unverzichtbar sind in Lehrveranstaltungen, in denen Grundlagen der Allgemeinen Geologie, Historischen und Regionalen Geologie, Paläontologie und Mineralogie vermittelt werden.
In den Sammlungsbestand sind zahlreiche Belegsammlungen zu früheren wissenschaftlichen Bearbeitungen eingegangen. Auf dieses Sammlungsmaterial, seien es nun Bohrkerne oder paläontologische Objekte, wird bei Neubearbeitungen immer wieder zurückgegriffen. Innerhalb der paläontologischen Sammlungen kommt insbesondere der großen Zahl von Originalen, darunter nicht wenigen Holotypen, eine herausragende Bedeutung zu, stellen sie doch unverzichtbare Referenzobjekte bei Neubearbeitungen bestimmter Taxa dar. Deshalb fragen Wissenschaftler des In- und Auslandes regelmäßig nach entsprechendem Material an.

Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über wissenschaftliche Fossilbearbeitungen, zu denen Originale in Halle aufbewahrt werden (im vorgegebenen Rahmen können lediglich die Autoren mit dem Erscheinungsjahr der entsprechenden Publikation, jedoch ohne vollständiges Zitat, aufgeführt werden; Berücksichtigung fanden zudem vorrangig Pflanzen und Invertebraten):

Pflanzen: Barthel, M. (1958, 1961, 1962, 1963), Daber, R. (1955), Dunker, W. (1851), Feistmantel, O. (1873), Florin, R. (1938-1945), Friedrich, P. (1883), Fritsch, K.v. (1885, 1897, 1906), Germar, E.F. (1837, 1846, 1852, 1853), Giebel, C. (1848, 1852, 1853, 1856a, 1856b, 1856c, 1856d, 1857, 1858), Gothan, W. & Schriel, W. (1928), Heer, O. (1861), Mägdefrau, K. (1931, 1936, 1938, 1956), Mai, D.H., Majewski, J. & Unger, K.P. (1963), Potonié, H. (1901), Remy, W. & Remy, R. (1959a, 1959b), Richter, R. & Unger, F. (1856), Salfeld, H. (1909), Solms-Laubach, H.v. (1899), Sterzel, J.T. (1893), Stiehler, A.W. (1855-1858), Weigelt (1928, 1929-1931, 1932), Weiss, E. (1876, 1884), Weiss, E. & Sterzel, T. (1893).

Invertebraten (nur untergeordnet Vertebraten): Beyschlag, F. & Fritsch, K.v. (1899), Biese, W. (1927), Bittner, A. (1890), Böhm, J. (1920), Bornemann, J.G. (1856, 1886a, 1886b, 1891), Burmeister, H. (1843), Dette, K. (1933), Dewitz, H. (1880), Dietz, E. (1909), Franke, E. (1971), Frech, F. (1890, 1891), Freyberg, B.v. (1923), Fritsch, K.v. (1901-1906), Germar, E.F. (1840, 1849, 1853), Giebel, C. (1848, 1852, 1853a, 1853b, 1856a, 1856b, 1856c, 1858, 1863), Gottsche, C. (1878), Handlirsch, A. (1906-1908), Haupt, H. (1951, 1952), Hauschke & Wilde (2000), Hemmann, M. (1944, 1951, 1952, 1955, 1956), Hunger, R. (1939), Jaekel, O. (1899), Jessen, W. (1932, 1933), Kayser, E. (1878), Korn, H. (1930), Krumbiegel, G., Deichfuss, H. & Deichfuss, H. (1980), Krumbiegel, G. & Schwab, M. (1980), Kuhn, O. (1939a, 1939b, 1940), Laatsch, W. (1931), Lotz, H. (1901), Mägdefrau, K. (1937), Merkel, O. & Fritsch, K.v. (1897), Mertin, H. (1939, 1941), Müller, A.H. (1969), Novák, O. (1890), Philippi, E. (1901), Picard, E. (1903), Picard, K. (1892), Richter, R. (1866), Röpke, W. (1933), Rothpletz, A. (1909), Sandberger, G. u. F. (1850-1856), Scupin, H. (1912-1913), Scharf, W. (1923-1924), Schellwien, E. (1892), Schlechtendal, D.v. (1887, 1888, 1894), String, P. (1965), Tembrok, M.L. (1968), Tiessen, E. (1895), Voigt, E. (1930), Volk, M. (1967), Volz, W. (1896), Walther, K. (1907), Weigelt, J. (1919, 1922, 1928, 1930a, 1930b, 1930c, 1930d, 1932), Weissermel, W. (1926), Weyer, D. (1979, 1980, 1982, 1984), Weyer, D. & Zagora, K. (1990), Wöhrmann, S.v. & Koken, E. (1892), Zincken (1862).

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Orginalblatt aus GERMAR (1851)

Asterotheca (al. Pectopteris) arborescens (Schlotheim) Kidson. Oberkarbeon (Stefan) Wettin.

Orginalvorlage zu BORNEMANN 1856

Anhand einiger Beispiele soll veranschaulicht werden, an welchen Fossilgruppen in den letzten Jahren umfassendere wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt wurden: Archaeocyathiden (Slg. Bornemann), Bryozoen (Slg. Korn), Korallen (Slg. Frech, Slg. Volz), Trias-Cephalopoden (Slg. v. Fritsch); daneben wurde die Gattung Pleuromeia (u.a. Slg. Mägdefrau) einer Neubearbeitung unterzogen.

Ausleihen betreffen jedoch nicht nur wissenschaftlich zu bearbeitendes Material, sie erstrecken sich auch auf Sammlungsstücke, die für Sonderausstellungen benötigt werden. So wurden beispielsweise für die Ausstellung "Bernstein. Tränen der Götter", die 1996/97 im Deutschen Bergbau-Museum Bochum gezeigt wurde (GANZELEWSKI & SLOTTA 1996), Lackfilme der "Blauen Erde" des Samlandes ausgeliehen. Aber auch bei verschiedenen thematischen Ausstellungen des Instituts, die teilweise in Kooperation mit anderen Institutionen durchgeführt wurden, konnte zu einem großen Teil auf die eigenen Sammlungsbestände zurückgegriffen werden, so 1996 bei der Ausstellung "Johann Georg Bornemann (20.5.1831 - 5.7.1896) - Dokumente zu seinem Leben und Werk" (HAUSCHKE et al. 1996) oder 1998/1999 bei der Sonderausstellung "Trias. Eine ganz andere Welt" (HAUSCHKE & WILDE 1998, 1999), die zunächst im Stadtmuseum in Halle (Saale) und anschließend im Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt am Main gezeigt wurde. In kleinerem Rahmen wurde letztere Ausstellung, jetzt ohne Berücksichtigung von Leihgaben und unter Vernachlässigung speziellerer Ausstellungsaspekte, als Dauerausstellung zum Thema "Trias" in das Institut integriert, die Studierenden jederzeit und Besuchern zu besonderen Gelegenheiten oder nach Voranmeldung offen steht.

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Limulus decheni Zincken aus den Domsener Sanden (Obereozän) von Teuchern im südlichen Sachsen-Anhalt. (Länge des Stückes 40 cm) Limulus henkelii von FRITSCH aus dem Unteren Muschelkalk von Bad Kösen

Die geologisch-paläontologischen Sammlungen sind sowohl thematisch als auch stratigraphisch und regional sehr breit angelegt, besitzen allerdings einen regionalgeologischen Schwerpunkt im mitteldeutschen Raum, was sich u.a. in entsprechend großen Sammlungsbeständen aus Perm (Rotliegend und Zechstein, insbesondere Kupferschiefer) und Trias ausdrückt. Genannt seien stellvertretend
Fossillagerstätten aus dem Mittleren Buntsandstein von Bernburg an der Saale (u.a. Funde des Bärlappgewächses Pleuromeia sternbergii und Amphibienreste von Parotosuchus nasutus und Trematosaurus brauni; Abb. 9) oder aus dem Unteren Muschelkalk (Schaumkalk) von Freyburg an der Unstrut (u.a. Cephalopoden und Seelilien der Art Chelocrinus carnalli; Abb. 10). Einen traditionellen Forschungsschwerpunkt des hallenser Instituts bildet die Harzforschung, was sich in wichtigen Belegsammlungen besonders aus den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, ausdrückt.

Unter den personengebundenen Sammlungen sei beispielhaft die "Sammlung Johannes Walther" genannt, in die vorzugsweise Material zu seinen Riff- und Wüstenforschungen eingegangen ist. Dieser Sammlungskomplex, zu dem auch ein nachgebautes Korallenriff zählt (HAUSCHKE 1997), verweist auf den globalen Anspruch der Sammlung in ihrer Ganzheit. So wurde im Verlauf der Sammlungsgeschichte großer Wert darauf gelegt, daß neben einer möglichst lückenlosen Dokumentation der regionalen Geologie und Paläontologie auch Gesteine und Fossilien von wichtigen Fundpunkten weltweit in die Sammlung gelangten. Neben einer möglichst umfassenden Gesteins- und Fossildokumentation, die die gesamte Erdgeschichte berücksichtigt und u.a. Belege aus den kambrischen Burgess-Schiefern oder der Trias von Timor enthält, weist die Sammlung auch beachtliche Altbestände von Fossilfunden wichtiger deutscher Fossillagerstätten, wie Solnhofen oder Holzmaden (darunter das Original des Meereskrokodils Mystriosaurus bollensis zu D'Alton & Burmeister 1854: Taf. 9-10 aus dem Unteren Jura von Boll in Württemberg), auf.
Anders als die Geiseltal-Sammlung (HELLMUND, im vorliegenden Band), die in ihrem Bestand als abgeschlossener Sammlungskomplex gelten kann, weil die Fossillagerstätte Geiseltal ausgebeutet ist, lebt die geologisch-paläontologische Sammlung nicht zuletzt durch Neuzugänge. Diese betreffen Material, das von Exkursionen mitgebracht oder gezielt für wissenschaftliche Untersuchungen im Gelände genommen wird. Bei Lehrveranstaltungen wird darüber hinaus deutlich, welche Gesteine, Fossilien oder besonderen geologischen Phänomene in der Sammlung unterrepräsentiert sind und deshalb beschafft werden müssen. So bilden Lebensspuren und Sedimentmarken, die Hinweise auf die Dynamik im ehemaligen Ablagerungs- und Lebensraum geben, durch Aufsammlungen in der Vergangenheit aber nicht systematisch berücksichtigt wurden, jetzt einen Sammlungsschwerpunkt. Auch über den Kontakt zu Sammlern, die den Gedankenaustausch mit den Kustoden suchen, kommt manch wertvolles Stück in die Sammlung.

Zu den wichtigsten Aufgaben gegenwärtig und in der Zukunft gehört die fortschreitende Nutzbarmachung der Sammlungen. Diese knüpft sich eng an eine möglichst vollständige Inventarisierung des Sammlungsbestandes. Um die Sammlungen zukünftig Interessenten weltweit über das Internet verfügbar machen zu können, ist zudem eine elektronische Speicherung der Sammlungsdaten unabdingbar. Erste Schritte in diese Richtung konnten bereits getan werden. Dennoch zeichnet sich deutlich ab, daß das ins Auge gefaßte Ziel ohne eine angemessene personelle Ausstattung der Sammlungen bzw. ohne Entlastung der Sammlungsverantwortlichen von zahlreichen anderen Aufgaben in sehr weite Ferne rückt.


4. Perspektiven. Schließt sich der Kreis vom Naturalienkabinett zum "Universeum"?

Daß der einst für Forschung und Lehre unbestrittene Wert naturwissenschaftlicher Sammlungen an der Martin-Luther-Universität heute auf dem Prüfstand steht und kritisch hinterfragt wird, kann hier nur angedeutet werden. Die zur Rede stehenden Probleme sind jedoch kein auf die Situation an deutschen Universitäten oder gar ein auf die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg begrenztes Thema (z.B. Deutscher Museumsbund 1984, Taub 1998, Brüning 1999). Der Gedankenaustausch mit Sammlungsverantwortlichen von verschiedenen europäischen Universitäten zeigt vielmehr, daß zahlreiche naturwissenschaftliche Universitäts-Sammlungen in den vergangenen Jahrzehnten unter einem mitunter dramatischen Bedeutungsschwund zu leiden hatten.

Allerdings lassen sich in der jüngsten Vergangenheit auch wieder hoffnungsvolle Tendenzen ausmachen, die einen erneuten Wertewandel hin zu einer positiven Neubewertung der Sammlungen anzeigen. In diesem Zusammenhang ist eine von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ins Leben gerufene europäische Initiative erwähnenswert, die mit dem EU-Museumsprojekt "Kulturerbe der Universitäten - Verantwortung und Öffentlichkeit" eine vielbeachtete Fortsetzung fand. Neben der Humboldt-Universität Berlin, der Leipziger Universität und der Martin-Luther-Universität in Halle auf deutscher Seite sind daran einige der ältesten europäischen Universitäten beteiligt: Amsterdam, Bologna, Cambridge, Groningen, London, Oxford, Pavia, Uppsala und Utrecht. Anläßlich des im November 2001 erstmals ausgerufenen Monats des Europäischen Universitätsmuseums ("European Month of the Academic Heritage") erschien ein reich bebilderter Katalog (Bremer & Wegener 2001), in dem sich die Partneruniversitäten mit ihren Sammlungen vorstellen.

Die reichen Sammlungsbestände der europäischen Universitäten werden wieder als "Kulturerbe" begriffen, mit dem verantwortlich umgegangen werden muß und worauf nicht zuletzt die Öffentlichkeit ein Anrecht besitzt. In dieser Hinsicht kann ein Beschluß des Senats der Martin-Luther-Universität aus dem Jahre 2001, die renaissancezeitliche "Neue Residenz" zu einem naturwissenschaftlichen Universitätsmuseum ("Universeum") auszubauen, nur gelobt werden als ein vielversprechendes, beispielhaftes und zukunftorientiertes Projekt. Mit der Realisierung eines ganzheitlichen Ausstellungskonzeptes, das die einzelnen naturwissenschaftlichen Disziplinen miteinander verknüpft, könnte sich damit ein Kreis schließen, der vom Naturalienkabinett zum "Universeum" führt. Ein naturwissenschaftliches Universitätsmuseum in Halle könnte dazu beitragen, den Erhalt der umfangreichen Sammlungsbestände, die unwiederbringliche und wertvolle Kulturgüter darstellen, langfristig zu sichern. Es könnte darüber hinaus als "Wissenschaftsforum" eine Vermittlerrolle zwischen Universität, Wirtschaft und Öffentlichkeit einnehmen und darüber hinaus die Attraktivität von Stadt, Region und Land wesentlich fördern.


5. Literatur

BREMER, Th. & WEGENER, P. [Hrsg.] (2001): Alligators and Astrolabes. Treasures of University Collections in Europe. - Academic Heritage and Universities - Responsibility and Public Access. - 62 S.; Halle (Saale).
BRÜNING, J. (1999): Das Museum in der Universität. - Museumskunde, 64: 27-38; Berlin.
Deutscher Museumsbund (1984): Memorandum Universitäts-Museen. - Museumskunde, 49: S. 107-108; Berlin.
EIGENFELD, F. (1998): 125 Jahre Geowissenschaften an der Universität Halle. - Hallesches Jb. Geowiss., B 20: S. 148; Halle (Saale).
FRITSCH, K. von (1901): Führer durch das Mineralogische Institut der Kön. ver. Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg. - 82 S.; Halle (Saale).
GANZELEWSKI, M. & SLOTTA, R. [Hrsg.] (1996): Bernstein. Tränen der Götter. - Katalog der Ausstellung des Deutschen Bergbau-Museums Bochum. - 585 S.; Bochum.
GERMAR, E.F. (1844-1853): Die Versteinerungen des Steinkohlengebirges von Wettin und Löbejün im Saalkreise. - 116 S. mit Tafelband (40 Taf.); Halle (Saale).
GINSBURG, R.N., GISCHLER, E. & SCHLAGER, W. [Hrsg.] (1994): Johannes Walther on reefs. Pioneering concepts of biogeology 1885 - 1910. - Geol. Milestones, 2: 141 S.; Miami.
GISCHLER, E. & GLENNIE, K.W. [Hrsg.] (1997): Johannes Walther: The law of desert formation - present and past. Translation of the fourth revised edition of 1924. - Geol. Milestones, 4: 273 S.; Miami.
HAUBOLD, H. & HELLMUND, M. (1994): Zur Genese der geowissenschaftlichen Sammlungen am Institut für Geologische Wissenschaften und Geiseltalmuseum. - Das Geiseltalmuseum am Institut für Geologische Wissenschaften. - In: SPELER, R.-T. [Hrsg.]: Veröff. Akad. Slg. Mus. Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, 1: 39 S. ; Halle (Saale).
HAUBOLD, H. & HELLMUND, M. (1995): 60 Jahre Geiseltalmuseum an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. - Hallesches Jb. Geowiss., B 17: 19-25; Halle (Saale).
HAUSCHKE, N. (1997): Riffe und Wüsten. Die grossen Forschungsreisen von Johannes Walther. - Sci. halensis, 5 (3): 13-15; Halle (Saale).
HAUSCHKE, N., HELLMUND, M. & SCHROEDER, R. (1996): Johann Georg Bornemann (20.5.1831 - 5.7.1896) - Dokumente zu seinem Leben und Werk. - Terra Nostra, 96/6: 133-134; Köln.
HAUSCHKE, N. & WILDE, V. (1998): Trias. Eine ganz andere Welt. Europa vor 250 Millionen Jahren. - Rundgang durch die Sonderausstellung: 18 S.; Halle (Saale).
HAUSCHKE, N. & WILDE, V. [Hrsg.] (1999): Trias. Eine ganz andere Welt. Mitteleuropa im frühen Erdmittelalter. - 647 S.; München (Pfeil).
KRUMBIEGEL, G. (1959): 25 Jahre Geiseltalsammlung (1934-1959) des Geologisch-Paläontologischen Institutes der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. - Wiss. Z. Univ. Halle, Math.-Nat., 8 (6): 1041-1052; Halle (Saale).
KRUMBIEGEL, G. & SCHWAB, M. [Hrsg.] (1974): Saalestadt Halle und Umgebung. Ein geologischer Führer. Teil 1: Geologische Grundlagen. - 1-100; Halle (Saale).
MÜLLER-BAHLKE, T.J. (1998): Die Wunderkammer. Die Kunst- und Naturalienkammer der Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale). - 127 S.; Halle (Saale).
REICHSTEIN, M. (1998): Karl Freiherr von Fritsch (1838-1906): Wegbereiter des geologischen Profils an der Martin-Luther-Universität in Halle. - Hallesches Jb. Geowiss., B 20: 135-146; Halle (Saale).

Aus: "Naturkundliche Museen und Sammlungen in Sachsen-Anhalt." Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale); mit geringen Änderungen

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