Sammlungen & Ausstellung
Johannes Walther - ein bedeutender Hallenser Geologe

Abriß des wissenschaftlichen Werdegangs von Johannes Walther
Riffe im Mittelmeer, Roten Meer und Indischen Ozean
Wüsten Nordafrikas, Zentralasiens und im Westen der USA
Die "Sammlung Johannes Walther" in Halle


Im "Internationalen Jahr des Riffes", das 1997 weltweit große Resonanz findet und von zahlreichen Aktivitäten flankiert wird, jährt sich auch der 60. Todestag des bedeutenden Riff-Forschers Johannes Walther. In der Tradition des Instituts für Geologische Wissenschaften und Geiseltalmuseum der Martin-Luther-Universität nimmt Johannes Walther einen herausragenden Platz ein. Er wirkte in Halle von 1906 - 1929 als Ordinarius für Geologie und Paläontologie und übte an der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in den Jahren 1924 - 1931 die Präsidentschaft aus. Aufgrund seiner richtungsweisenden Forschungen steht er bis heute international in hohem Ansehen. Walther gilt als einer der Wegbereiter der Sedimentologie und Paläoökologie. Vergleichende Riff- und Wüstenstudien, die er im Rahmen zahlreicher Forschungsreisen auf verschiedenen Kontinenten durchführte, bildeten die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit. Die Aktualität seiner bahnbrechenden Forschungsansätze wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, daß derzeit Teile seines in deutscher Sprache verfaßten umfangreichen Werkes in den USA in englischer Übersetzung neu herausgegeben werden. Diese "Walther-Renaissance" wurde von dem an der Universität von Miami/Florida lehrenden Professor Robert N. Ginsburg eingeleitet, der auch das "Internationale Jahr des Riffes" initiierte.


Abriß des wissenschaftlichen Werdegangs von Johannes Walther

Der am 20. Juli 1860 im thüringischen Neustadt an der Orla geborene Johannes Walther (Abb. 1) studierte an der Universität Jena, wo Ernst Haeckel prägenden Einfluß auf ihn ausübte, zunächst Biologie. Hier promovierte er mit einer Dissertation zum Thema "Die Entwicklung der Deckknochen am Kopfskelett des Hechts (Esox lucius)". In Leipzig und München setzte er seine akademische Ausbildung mit dem Studium der Geologie und Paläontologie bei bedeutenden Lehrern wie Hermann Credner und Karl von Zittel fort. Die Habilitation erfolgte 1886 in Jena, wo Walther 1890 zum Titularprofessor (durch Ernst Haeckel angeregte Stiftungsprofessur) ernannt wurde. Mit der Berufung auf den Lehrstuhl in Halle, die ihm endlich auch materielle Sicherheit bot, begann für Johannes Walther eine überaus fruchtbare Schaffensperiode.

Abb.1 Johannes Walther (1860 - 1937)


Die großen Forschungsreisen

Riffe im Mittelmeer, Roten Meer und Indischen Ozean

In den Jahren 1883/84 und erneut 1885, also noch während seines Studiums der Geologie und Paläontologie, hielt sich Walther an der Zoologischen Station in Neapel auf. Im Golf von Neapel untersuchte er rezente Bildungsbereiche von Flachwasser-Karbonaten. Diese verglich er auf Sizilien mit genetisch vergleichbaren neogenen Karbonaten und in den Ostalpen mit dem triassischen Dachsteinkalk. Sein besonderes Augenmerk richtete Walther dabei auf gesteinsbildende Kalkalgen und Algenkalksteine. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen veröffentlichte er bereits 1885 unter dem Titel "Die gesteinsbildenden Kalkalgen des Golfs von Neapel und die Entstehung structurloser Kalke". Seine Schlußfolgerungen muten überaus modern an. So führte er die Lithifikation der Algenkalksteine auf frühdiagenetische, submarine Prozesse zurück und grenzte sie von später stattfindenden meteorischen Diagenese-Prozessen deutlich ab. Walther nahm die Arbeiten im Golf von Neapel nach 25 Jahren wieder auf. Eine von Bord eines Schiffes aus durchgeführte detaillierte Fazieskartierung einer Untiefe vulkanischen Ursprungs belegte eindrucksvoll, daß seit seinem letzten Aufenthalt in Neapel im Jahre 1885, also in einer geologisch äußerst kurzen Zeitspanne, grundlegende ökologische und geologisch wirksameVeränderungen stattgefunden hatten.

Seine frühen meeresgeologischen Forschungen im Golf von Neapel setzte Johannes Walther 1887 auf einer Reise nach Ägypten und auf den Sinai fort. An der Westküste der Sinai-Halbinsel bot sich ihm die Gelegenheit, neben rezenten auch subrezente und pleistozäne Riffe zu studieren. Ihren wissenschaftlichen Niederschlag fand diese unter schwierigen Bedingungen durchgeführte Expedition in der 1888 erschienenen Publikation "Die Korallenriffe der Sinai-Halbinsel - Geologische und biologische Beobachtungen", die als ein Meilenstein in der Korallenriff-Forschung gilt. Walther stellte darin zunächst einmal fest, daß die Riff-Forschung, insbesondere die "Frage nach den Ursachen der Bildung von Korallenriffen ... seit vielen Jahrzehnten zu den Lieblingsproblemen der Naturforscher" gehöre und führte in dem Zusammenhang zahlreiche Namen an, darunter Forster, von Chamisso, Ehrenberg, Darwin, Dana, Agassiz, Fraas, Haeckel, von Richthofen, Murray, Krukenberg und Guppy. Er konstatierte, daß die "biologischen Verhältnisse des Korallenlebens ebenso wie die Fauna der korallophilen Thiere" gut untersucht seien und daß "auf diesem Gebiet keine wesentliche Vermehrung unserer Erkenntnisse zu erwarten" sei. Seinen eigenen Ansatzpunkt für weiterführende Forschungen erkannte er indes deutlich. So fügte er hinzu: "Aber die Fragen nach der Mächtigkeit der Korallenriffe und nach der physikalischen Beschaffenheit des Untergrundes, auf dem Korallenriffe gedeihen, sind trotz mancher Versuche noch nicht vollkommen gelöst worden, obgleich gerade diese Fragen ein ganz hervorragendes geologisches und biologisches Interesse besitzen." Seine auf detaillierten Beobachtungen beruhende Vorgehensweise, die geologische und biologische Befunde gleichermaßen berücksichtigte, verhalf ihm schließlich zu völlig neuen Erkenntnissen zur Riffentwicklung. Es erstaunt deshalb nicht, daß Walther in derselben Publikation eine Eigenbewertung Darwins zitiert, die dessen seinerzeit vielbeachtete Riff-Theorie betrifft. Darwin räumte darin ein: "Kein anderes meiner Bücher ist in einem so planmäßigen deductiven Sinne angefangen worden; denn ich hatte mir die ganze Theorie schon an der Westküste von Südamerika ausgedacht, noch ehe ich ein echtes Korallenriff gesehen hatte."

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Abb. 2. Impressionen einer Forschungsreise. Nach einem Aquarell von Johannes Walther "Wüste am Ràs Muhámmed", abgedruckt in seiner Publikation über die Korallenriffe der Sinai-Halbinsel von 1888.


Abb. 3. Impressionen einer Forschungsreise. Nach einem Aquarell von Johannes Walther "Oberfläche und Durchschnitt eine Korallenriffes", abgedruckt in seiner Publikation über die Korallenriffe der Sinai-Halbinsel von 1888.

Johannes Walther beschränkte sich in seiner Publikation von 1888 nicht allein auf die Mitteilung von Beobachtungen und Schlußfolgerungen zur Riff-Entstehung. Er kartierte auch die durchquerten Küstengebiete und zeichnete ganz nebenbei ein anschauliches Bild vom Verlauf und einigen Begebenheiten seiner Reise, wobei stets geologische Phänomene erwähnt und beschrieben wurden. Zur visuellen Verdeutlichung fügte er der Sinai-Arbeit vier Farbtafeln bei, die auf Aquarellvorlagen Walthers beruhen. Zu der reproduzierten Aquarelltafel (Abb. 2) schreibt er: "Gelber Sand liegt in allen Schluchten und Lücken, wie der Schnee in den Alpen. Im Vordergrund ist meine Carawane im Begriff gegen Ghasuláni weiterzuziehen. Der Himmel ist stark bewölkt; eine zu dieser Jahreszeit seltene Erscheinung (zwei Tage später fiel ein wolkenbruchartiger Gewitterregen)." Seine Riffstudien kommentierte Walther anschaulich in den folgenden Zitaten: "Ein weisses Schaumband zieht sich längs der Küste und bezeichnet die Stelle, wo das Riff beginnt. Im Schutze dieses Wellenbrechers kann man noch bei ziemlich bewegter See ruhiges Wasser finden und bis zum Hals im Wasser herumwandeln... Die Gefahr der Haifische auf dem Riff scheint mir von den Eingeborenen übertrieben zu werden, denn ich habe nur 1-2 m lange Individuen beobachtet". Es folgen schließlich noch einige nützliche Anweisungen für Forschungsreisende: "Die Füsse muss man bis zum Knie dicht mit Binden umwickeln und durch Bastschuhe schützen, da die Korallen die Haut verletzen."

Bereits ein Jahr nach der Ägypten/Sinai-Reise ging Johannes Walther 1888/89 erneut auf eine größere Forschungsreise, die ihn nach Indien und Sri Lanka führte. Von Bombay aus durchquerte er den Subkontinent zunächst in westöstlicher Richtung, um anschließend über den Dekkan nach Südindien zu reisen, wo er kreidezeitliche Korallenriffe untersuchte. Sein besonderes Interesse galt jedoch den rezenten Korallenriffen in der zwischen Indien und Sri Lanka gelegenen Palkstraße. In der Studie "Die Adamsbrücke und die Korallenriffe der Palkstraße - Sedimentstudien im tropischen Litoralgebiet" hob Walther besonders die Bedeutung ramoser Korallen als Sedimentfänger und Gerüstbildner hervor.

Walthers Riffstudien erstreckten sich auf rezente und fossile Riffe sowie auf verschiedene Taxa von Riffbildnern. Daß sich sein Hauptaugenmerk auf Korallenriffe richtete, findet seinen Grund darin, daß die meisten Riffe der Gegenwart von Korallen aufgebaut werden. Im Laufe der Erdgeschichte lösten jedoch unterschiedliche riffbildende Gruppen von Organismen einander ab.

Sogenannte Stromatolithen-Riffe, deren Wachstum durch bakterielle Tätigkeit gesteuert wird, existierten bereits vor 2 Mrd. Jahren. Weitere Organismengruppen, die später als Riffbildner dominierten, sind Hydrozoen, Poriferen, Rotalgen, Bryozoen, Brachiopoden und Muscheln. Die rezenten Korallenriffe stellen neben den tropischen Regenwäldern die artenreichsten Lebensräume auf der Erde dar. Es handelt sich dabei um hochsensible Ökosysteme, die weltweit stark gefährdet sind. Um die gegenwärtigen, z.T. dramatischen Veränderungen in den Riffen und dafür verantwortlichen Prozesse besser verstehen zu können, sind an fossilen Riffen durchgeführte detaillierte Studien aufschlußreich. Denn mehrfach in der Erdgeschichte waren frühere Riffgemeinschaften lebensbedrohenden ökologischen Veränderungen ausgesetzt, worauf sie reagierten. Der fossile Befund erlaubt es in vielen Fällen, die Lebensgeschichte ganzer Riff-Komplexe detailliert zu rekonstruieren. Diese Untersuchungen können für die Einschätzung gegenwärtiger Riff-Entwicklungen wichtige Grunddaten liefern. Mit seinen Untersuchungen an rezenten und fossilen Riffen hat Walther wesentlich zum Verständnis der Dynamik von Riffen beigetragen und entsprechende Forschungen bis in die Gegenwart hinein befördert. Im "Internationalen Jahr des Riffes" wurde eine Initiative gestartet, das "IYOR - Reef Check-Programm", welches zum Ziel hat, den Zustand von Riffen weltweit zu erfassen und auf der Grundlage dieser Datenbasis aktiven Riffschutz zu betreiben. Von deutscher Seite liegen die regionalen Schwerpunkt im Bereich der Malediven und - sozusagen auf den Spuren Johannes Walthers - im Roten Meer.

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Abb. 4. Von Johannes Walther zu Lehrzwecken rekonstruiertes Korallenriff, das heute im Sammlungssaal des Instituts für Geologische Wissenschaften aufgestellt ist (Foto: E. Scheiner).


Wüsten Nordafrikas, Zentralasiens und im Westen der USA

Johannes Walther lernte auch die Wüste bereits in seinen Studienjahren kennen und zwar auf einem Abstecher nach Tunis, den er nach seinem ersten Aufenthalt in Neapel im Jahre 1884 im Rahmen einer Reise zu den Liparischen Inseln und nach Sizilien unternahm. Doch erst während seines ersten Aufenthalts in Ägypten und auf der Sinai-Halbinsel im Jahre 1887 wurde er unter der sachkundigen Führung des Afrikaforschers Georg Schweinfurth zu eigenen intensiven Wüstenstudien angeregt. Walther erschloß sich damit neben dem Lebensraum Riff mit seiner hohen Biodiversität auch die extrem lebensfeindlichen Bereiche der Erde. Den Internationalen Geologenkongreß, der 1891 in Washington stattfand, nutzte Walther dazu, im Rahmen einer Exkursion die Wüstengebiete im Westen der USA kennenzulernen. Stationen der Reise waren u.a. der Yellowstone-Nationalpark, Salt Lake City mit dem Großen Salzsee, die Mohave- und die Gilawüste. Der thematisch und zeitlich eng gesteckte Rahmen erlaubte es Walther jedoch nicht, auf dieser Exkursion grundlegende Untersuchungen zur Wüstenbildung anzustellen, wohl konnte er seine in den Wüstengebieten Ägyptens und des Sinai gemachten Beobachtungen mit Erfolg überprüfen. Im Anschluß an den 1897 stattfindenden Internationalen Geologenkongreß in St. Petersburg bereiste Walther privat und in Begleitung eines deutschen Paläontologen Wüstengebiete Zentralasiens. Die Exkursion führte durch die heutigen Republiken Aserbaidschan, Turkmenistan und Usbekistan bis nach Kirgisistan. Walthers besonderes Interesse galt den Phänomenen salinarer Sedimentation und der Verlagerung von Sicheldünen im jahreszeitlichen Verlauf. Diese Wüstenreise bildete für Walther im Alter von 37 Jahren einen Höhepunkt und ersten Abschluß seiner großen Forschungsreisen. Erst 1911 brach Johannes Walther zu seiner zweiten Ägyptenreise auf und schließlich 1914, unmittelbar vor Ausbruch des 1. Weltkriegs, nach Australien.

Die zahlreichen Einzelbeobachtungen faßte Walther in seinem grundlegenden Werk "Das Gesetz der Wüstenbildung in Gegenwart und Vorzeit" (erschienen 1900 in 1. und 1924 in stark erweiterter 4. Auflage) zusammen. Wie bereits im Titel programmatisch anklingt, zielten Walthers Untersuchungen in den rezenten Wüsten wesentlich auch darauf, fossile Ablagerungen, die unter Wüstenklimaten entstanden waren, als solche zu identifizieren. Dabei kam in der Nachfolge von Karl Ernst Adolf von Hoff und Charles Lyell die aktualistische Methode, deren Grenzen er klar erkannte und die er selber als "ontologische Methode" bezeichnet, konsequent zur praktischen Anwendung.


Die "Sammlung Johannes Walther" in Halle

Das von Johannes Walther auf zahlreichen Forschungsreisen gesammelte Probenmaterial ging als "Sammlung Johannes Walther" in die umfangreichen Sammlungsbestände des Instituts für Geologische Wissenschaften und Geiseltalmuseum ein. Darunter befinden sich auch zahlreiche Abbildungsbelege zu seinen Publikationen. Für die Lehr- und Schausammlungen des früheren Geologisch-Paläontologischen Instituts der Universität bildete Walther aus eigenen Aufsammlungen im Roten Meer und Indischen Ozean ein Korallenriff nach (Abb. 4).

Anläßlich eines Sonderkolloquiums zum 60. Todestag von Johannes Walther im Mai dieses Jahres wurde die "Sammlung Johannes Walther" gesichtet und ein repräsentativer Teile davon für eine Ausstellung ausgewählt. Naturgemäß wurden im "Internationalen Jahr des Riffes" seine Verdienste um die Riff-Forschung in den Vordergrund gestellt. Ein nicht unerheblicher Teil der Ausstellung widmete sich dem Wüstenforscher Johannes Walther, während nur ein kleiner Teil seine in Indien und Australien durchgeführten Studien zum Laterit-Problem behandelte.

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