Von der Gefahrenabwehr zur Umweltvorsorge
    Umweltgeologie heute
     
    Peter Wycisk
     

    In Mitteldeutschland haben über hundert Jahre lang die Aktivitäten des Braunkohlenbergbaus und der chemischen Industrie die Umweltmedien Boden und Grundwasser nachhaltig geschädigt. Durch Schadstoffeinträge in regionalem Ausmaß, wurde z.B. im Raum Bitterfeld / Wolfen das Grundwasser auf einer Fläche von ca. 25 km2 bei einem geschätzten Volumen von 200 Mio. m3 z.T. hochgradig durch überwiegend halogenierte Kohlenwasserstoffe kontaminiert. Alternativ zu aktiven, hydraulischen Sanierungsverfahren wird gegenwärtig der Einsatz von passiven in-situ-Verfahren zur Sanierung von Grundwasserkontaminationen diskutiert. Beispiele hierfür sind permeable, reaktive Wände, die als kombinierte Sicherungs-/Dekontaminationsverfahren zu betrachten sind. Ihre Einsatzfähigkeit soll im Rahmen des Projektverbundes SAFIRA am Modellstandort Bitterfeld überprüft werden.

     
     
     

    Bei der Raumverträglichkeitsuntersuchung (RVU) von Altlastensanierungen stehen die potentiellen Belastungswirkungen im Mittelpunkt der Betrachtung, die sich für den Menschen und die Umwelt im Umfeld der Altlast während oder nach der Sanierungsmaßnahme ergeben können.
    Im Gegensatz zu Konzepten der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) sind in der RVU nicht nur die ökologischen Aspekte, sondern auch die ökonomischen und sozialen sowie nutzungsbezogenen Belange zu berücksichtigen. Dabei werden mögliche Sanierungsvarianten im Rahmen einer Machbarkeitsstudie auf folgende Kriterien überprüft: technische Durchführbarkeit und standortspezifische Eignung, RVU, rechtliche Erfordernisse und Kosten sowie finanzielle Machbarkeit.
    Bei dieser Vorgehensweise steht die Raumverträglichkeitsuntersuchung im Spannungsfeld folgender Handlungsfelder. Einerseits dominierten bisher überwiegend gefahrenabwehrorientierte, fachtechnische und ökonomische Aspekte. Vor dem Hintergrund von unterschiedlichen Umweltfolgewirkungen, wie z.B. dem aufzuwendenden Energieeinsatz, kommen zunehmend vorsorgeorientierte umwelt- und auch raumplanerische Betrachtungsweisen zum Tragen.
    Die Analyse der möglichen Belastungswirkungen von Altlasten und die grundsätzliche Forderung nach Minimierung der negativen Wirkungen verstellt dabei sehr leicht den Blick auf Folgewirkungen, die sich durch den Einsatz verschiedener Sicherungs- und Dekontaminationstechniken ergeben können.

     

    Die Auswahl technisch anwendbarer und finanzierbarer Sanierungstechniken kann sich nicht allein auf den Abbau der Schadstoffbelastung im Boden und Grundwasser beziehen, sondern muß auch die sanierungsbedingten Umweltfolgen als modulare und bilanzierbare Einzelgrößen sowohl unter umweltökonomischen als auch raumbezogenen Gesichtspunkten berücksichtigen. Diese Notwendigkeit ergibt sich nicht nur in Bezug auf eine Wirkungsanalyse von Sanierungsteilräumen, sondern auch im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Sanierungswirkungen und ihre Effizienz im Rahmen des Variantenvergleichs.
    Die RVU wurde bisher in ersten Ansätzen bei der Sanierung von größeren kommunalen Altlastenflächen durchgeführt. Vor dem Hintergrund großräumiger Boden- und regionaler Grundwasserkontaminationen, wie z.B. in Mitteldeutschland, müssen die Anforderungen an Bewertungsmaßstäbe in der RVU im Rahmen von Sanierungskonzepten überdacht und auch neu entwickelt werden. Zur standortunabhängigen Bewertung wird z.T. der Einsatz von sogenannten Umweltbilanzen vorgeschlagen. Kritisch diskutiert werden muß hier insbesondere die Vergleichbarkeit der ermittelten Daten, die auf grundlegend unterschiedlichen Sanierungsverfahren basieren können.

    Die Beurteilung der dazugehörigen Umweltfolge- bzw. Raumauswirkungen ist unter umweltökonomischen Gesichtspunkten bisher nur näherungsweise zu erfassen.
    Innerhalb der RVU werden die Bewertungsschritte für standortabhängige Belastungswirkungen (Gefährdungsprofil) und die ermittelten Empfindlichkeiten der Nutzungselemente im Planungs-, Konflikt- und Kontaminationsbereich der Altlast (Schutzwürdigkeitsprofil) gegenübergestellt.

    Am Beispiel der noch relativ neuen Sanierungstechnik mit durchströmten in-situ Reinigungswänden und aufgrund ihrer Langzeitwirkungen und z.T. großräumigen Einsatz sind folgende Punkte von fachübergreifender Bedeutung:

    • Prognose des Einflusses von tiefreichenden Baumaßnahmen auf das Grundwasserregime
    • Auswirkungen der reaktiven Materialien auf die Schutzgüter und Prüfung der ökologischen Verträglichkeit
    • Erstellung vollständiger stoffspezifischer Bilanzen des Schadstoffumsatzes beim Einsatz reaktiver Materialien.

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    Prof. Dr. Peter Wycisk wurde 1995 nach der Habilitation an der TU Berlin auf das FG. Umweltgeologie in Halle berufen. Neben dem Aufbau des neu eingerichtete Fachgebietes am Institut für Geologische Wissenschaften und Geiseltalmuseum leitet er seit 1997 als Gf. Direktor das Universitätszentrum für Umweltwissenschaften (UZU) der Martin-Luther-Universität.
     
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